Galerie Beatrice Brunner
  

Die erste Zusammenarbeit: Adela Picón und Béatrice Brunner, 2004.
Bild: Peter Friedli


Ein Ort des Verweilens

20 Jahre Galerie Béatrice Brunner

«Es war immer ein Wunsch von mir, eine Galerie zu eröffnen», sagt Béatrice Brunner. Als sie sich den Wunsch im Frühling 2004 erfüllte, konnte sie auf langjährige fachliche Erfahrung bauen, vor allem jedoch auf eine persönliche Bindung zur Kunst, die in ihrem Leben stets wegweisend war. Der Zugang dazu wurde ihr früh im Elternhaus vermittelt, die berufliche Tätigkeit begann sie als Assistentin im Auktionshaus Kornfeld in Bern. Von da an war sie im Kunsthandel tätig, auch während längerer Aufenthalte in Singapur und Portugal. In dieser Zeit bildete sie sich kunstwissenschaftlich weiter, in Porto führte sie einen Kunstraum.

Der Standort Bern hatte sich ergeben, von Portugal kehrte Béatrice Brunner hierher zurück, also war es nur folgerichtig, die Galerie hier zu eröffnen. Ein Stück weit vorgespurt war die inhaltliche Ausrichtung. «Ich verstand es als Aufgabe einer Galeristin, regionales Kunstschaffen mit einzubeziehen», sagt sie. Geübt in Weltennähe und kulturellem Austausch, setzte sie, und setzt sie bis heute, vor allem jedoch auf eines: Offenheit leben, Linie und Auftritt im steten Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern ergründen und in Szene setzen. Offenheit bedeutet auch Unabhängigkeit, sich treu bleiben, gelegentlich entgegen aller Vernunft, künstlerisch, finanziell, emotional. Open Space, gewissermassen, und dies seit nunmehr 20 Jahren. 

Fast programmatisch dafür die ersten beiden Ausstellungen: Zur Eröffnung im April 2004 Frauengruppen von Margrit Linck, im Juni Adela Picón mit «Still Life», einem fotografischen Langzeitprojekt. Die erste Ausstellung würdigte das künstlerische Schaffen der 1983 verstorbenen Margit Linck, die in der männerlastigen Kunstgesellschaft ihrer Tage einen schweren Stand hatte. Adela Picón, die gebürtige Spanierin, die in Bern so manches angestossen hat, brachte schon im ersten Jahr Fotografie als künstlerisches Mittel ins Spiel. Verschiedene Welten eigentlich, aber doch nur eine: Die Galerie am Nydeggstaden 26 in der unteren Berner Altstadt.

Eine feine Referenz an Margrit Linck sind die Vasen, in die Béatrice Brunner ihre Blumensträusse stellt, diese besondere Zierde, längst ein Charakteristikum der Galerie. Blumenfenster oder vielmehr eigentliche Lustgärten der Sinne öffnen sich auch sonst dann und wann. Dreimal überschrieb die Galeristin, die stets auch Kuratorin ist, eine Gruppenausstellung schlicht mit «Flowers». In der Pandemie, in «Between mists of memory», einer Ausstellung von Brigitte Lustenberger, schienen die hauchdünnen Blütenblätter ihrer Fotografien auf einmal wie Gegenentwürfe zur Realität, eine zärtliche Verlockung in Zeiten düsterer Perspektiven.

Das Programmatische der ersten Ausstellungen war so nicht vorausgedacht, das war es auch später nie. Die Galerie hat Programm-Künstler:Innen, mit denen sie zusammenarbeitet und die sie vertritt und ausstellt, 23 sind es im Jubiläumsjahr (siehe den aktuellen Ausstellugseintrag). Mehr Programm gibt es nicht, ausser den Grundsätzen, die seit Beginn gelten: Zeitgenössisches Kunstschaffen mit Schwergewicht Region und Schweiz. Doch bei aller Zeitnähe braucht es zuweilen auch den Rückblick, um die Gegenwart verstehen zu können: 2021 eine Retrospektive von Margrit Jäggli, in den Siebzigerjahren durch ihre Spiegelbilder eine der führenden Schweizer Künstlerinnen, deren Schaffen die Galerie mit Werken aus der Berner Szene in ihr damaliges Umfeld stellte. Tomas Kratky im Dezember des ersten Jahrs war eine Hommage an einen lange Verstorbenen, dessen Leben kurz war und dessen Schaffenskraft überwältigend, ein Lichtblitz am Berner Kunsthimmel. Einer Bespielung der einstigen Aktionsgalerie durch eine jüngere Generation 2022 stand der kulturpolitische Aufbruch nach 1968 zugrunde. Hier und jetzt, dort und damals, Béatrice Brunners kunsthistorischer Zweiklang.

In Bern gehört die Galerie zu den Orten, die am meisten Künstlerinnen ausstellt. Hier wird der Jungck Künstlerinnenpreis (ehemals Frauenkunstpreis) durchgeführt. Mit dem Preis werden Künstlerinnen im Bereich der bildenden Künste für die von ihnen eingereichten Projekte ausgezeichnet und unterstützt. Aber dies gleich gross anschreiben, «Frauengalerie», niemals, das hätte Béatrice Brunners Stil komplett widersprochen. Wie in dieser Frage vermied sie auch sonst gesellschaftspolitisch alles Plakative, das Politische verstand sie als Teil der künstlerischen Reflexion, nie als Manifest. Vielleicht gerade deshalb sind so viele Arbeiten, die sie zeigt, eminent politisch.

Sibylla Walpen, Sylvia Hostettler, Doris Staub Muster, Ursula Jakob, Jacqueline Baum, alle waren sie am Anfang dabei und sind es heute noch. Baum/Jakob unterdessen als Team, 2020 zeigten sie eine bedrückende Inszenierung über das Schmelzen des Rhone-Gletschers, zu der die Galerie eine dreiblätterige Edition herausbrachte. Béatrice Gysin, Ursula Palla, Manon, Judith Albert, sie setzten prononciert Zeichen und fanden ihr Berner Publikum. Zeichen setzten gleichermassen der Videoschaffende Peter Aerschmann, Andres Fischer Muñoz, der kolumbianische Realist, oder Philipp Gasser, der 2008 eine phantastische Lichtinstallation funkeln liess. Der Fotograf Alexander Jaquemet zeigte 2017 seine schwarz-weissen Waldbilder, Ikonen inzwischen der jüngeren Schweizer Naturfotografie. Früher Weggefährte ist der Maler Heinz Mollet, ein Stiller im sonst so aufgeregten Betrieb, der nie stillsteht und im Lauf der Jahre mit jeder Ausstellung von neuem radikal herausforderte. Mit ihm und seiner Frau, der Autorin Li Mollet, verbindet Béatrice Brunner eine lange Freundschaft.

Eine Linie ist im Ausstellungsprogramm nicht zu übersehen, der vertiefte Umgang mit neuen Medien, insbesondere Fotografie und Video. Auch hieraus wuchsen Partnerschaften. Die in Burgdorf geborene und in Deutschland lebende Nadin Maria Rüfenacht brachte, in untergründigen, hochartifiziellen Tafelbildern, zuerst ihre «Arche Noah» in die Galerie. Jahre später war sie mit Porträts von Kindern auf Schemeln, die auf uns herabschauen, an «Lebenszeichen» beteiligt.
Die mit dem Kornhausforum Bern realisierte Ausstellung vereinte sieben Fotografinnen aus Deutschland und der Schweiz, darunter Herlinde Koelbl, das Kino Rex programmierte eine Filmreihe. Esther van der Bie, die in ihren skurrilen Bildern die Natur verschiebt und neu stellt, war über die Jahre mit Ausstellungen und Arbeiten vertreten. Doch mit Fotografie haben es jetzt fast alle, direkt, indirekt. In der Winterausstellung «Transition» Ende 2023, die von der letzten Schönheit der Natur erzählte, hingen ausschliesslich fotografische Arbeiten. Es ist, auf den Punkt gebracht und auf seine Art, ein eigenes künstlerisches Genre, dem Béatrice Brunner mit einer kontinuierlichen fotografischen Präsenz eine Plattform geschaffen hat.

Rund 120 Ausstellungen in 20 Jahren, eine Zeitlang mit einer Zweigstelle in Brüssel. Das Umfeld hat sich verändert, der Markt ist im Umbruch, die wirtschaftliche Situation zusehends angespannter. Kulturelle Vermittlung hat eine andere, gesellschaftlich gewichtigere Bedeutung als noch zur Jahrhundertwende, öffentliches Kulturverständnis und kultureller Umgang sind sprunghafter und weniger absehbar. Eine Kunstgalerie zu betreiben heisst enormer persönlicher Aufwand bis zur Selbstausbeutung, wenig Verdienst, viel Risiko. Béatrice Brunner führt die Galerie im Einfraubetrieb, assistiert von einem langjährigen wissenschaftlichen Mitarbeiter, Marc Munter. Dazu kommt Grundsätzliches, die Rolle der Galerie heute, ein klassischer Ort des Kunsthandels eigentlich mit fest definierten Aufgaben, der sich ständig neu positionieren muss zwischen Museum, Messen, Off Space und Onlinehandel.

Eines blieb unverändert, das wichtigste, der Alltag der Galerie: Erste Kontakte, Atelierbesuche, Projektentwicklung, Hängung, Eröffnung, ein Gespräch mit der Künstlerin oder dem Künstler, ein paar Wochen lang Menschen, die kommen, vielleicht wiederkommen und dann immer wieder. «Die Galerie musste mit Bern etwas zu tun haben», sagt Béatrice Brunner im Rückblick. Sie hat einiges damit zu tun.

Bernhard Giger

 
   
Galerie Béatrice Brunner

Bern: Nydeggstalden 26 | CH-3011 Bern
Donnerstag & Freitag / Thursday & Friday 14 - 18 Uhr / 2-6 pm
Samstag / Saturday 12 - 16 Uhr / 12am-4pm

Bruxelles: RIVOLI Building | Chaussée de Waterloo 690 | BE-1180 Uccle Bruxelles
Freitag & Samstag / Friday & Saturday 13 – 18 Uhr / 1 - 6 pm